Willkommen bei unseren Neuro-News!

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Dem Bestreben folgend, das Beste für die uns anvertrauten Kinder zu bewirken, bedienen wir uns bei KinderArt nicht nur pädagogischen Wissens, sondern beziehen in unsere Praxis auch wichtige Erkenntnisse aus der Hirnforschung ein.

Sie sind herzlich eingeladen, über die monatlich erscheinenden Beiträge das Wissen mit uns zu teilen.

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Neuro-News 1
Babystudie zeigt, dass Angst vor Spinnen und Schlangen angeboren ist

Forscher vom Max-Planck-Institut und der Universität Uppsala maßen die Pupillen von 6 Monate alten Babys, während sie ihnen verschiedene Fotografien zeigten.

Betrachteten die Babys Blumen und Fische, behielten die Pupillen ihre normale Größe, doch sie weiteten sich messbar, wenn die Babys Schlangen und Spinnen sahen.

Da das Weiten der Pupillen eine nicht beeinflussbare körperliche Reaktion auf Gefahren darstellt, ziehen die Forscher den Schluss, dass die Angst vor Spinnen und Schlangen angeboren ist.

 

Originalstudie:

Hoehl et al.: Itsy Bitsy Spider: Infants react with increased arousal to spiders and snakes. Frontiers in Psychology (2017)

Neuro-News 2
Fördert Bewegung wirklich das Lernen?

Es scheint fast schon eine allgemeingültige Wahrheit zu sein: Bewegung fördert das Lernen.

Doch wenn es so wäre, müssten dann nicht alle Leistungssportler:innen überdurchschnittliche kognitive Leistungen erbringen?  Aktuell liegt keine Studie vor, die das bestätigt.

Jedoch zeigen einige Studien in der Tat, dass Bewegung sich positiv auf Lernleistungen auswirken kann. Spannend ist aber, dass es eben nicht alleine auf Bewegung ankommt. Daher schauen wir uns nachfolgend etwas genauer an, was konkret im Gehirn geschieht und was neben Bewegung noch notwendig ist.

Wenn Kinder (oder Erwachsene) sich moderat und ausdauernd bewegen geschieht im Gehirn Folgendes:

1.) Es werden neue Stammzellen im Hippocampus gebildet (= Neurogenese). Der Hippocampus ist der Zwischenspeicher im Gehirn, in dem u. a. alles, was wir sprachlich auszudrücken vermögen, für ca. 2 Jahre verbleibt. Während dieser Phase wird unser Wissen verfestigt und ins Langzeitgedächtnis überführt. Kommen neue Informationen (also Lerninhalte) an, können sie nachhaltiger verarbeitet und gespeichert werden, wenn neue Neuronen dabei helfen. Studien belegen: Sportliche Kinder haben einen größeren Hippocampus als Kinder, die sich wenig bewegen.


2.) Es werden neue Blutgefäße gebildet (= Angiogenese) die den Hippocampus und andere Gehirnregionen versorgen. Zugleich wird deren bessere Durchblutung gefördert (=Vaskularisierung). Dies führt dazu, dass der Hippocampus besser arbeiten, d. h. die Lerninhalte miteinander verknüpfen und speichern kann.


3.) Es erfolgt eine Verstärkung der synaptischen Verbindungen (= Synaptogenese). Da die Hirnnervenzellen über ihre Synapsen miteinander kommunizieren, verbessert sich die Signalübertragung und damit sowohl das Einspeichern als auch das Abrufen von Gedächtnisinhalten, also letztlich die kognitive Leistung.


Wir fassen zusammen: Moderate und ausdauernde Bewegung verbessert die Bedingungen für das Lernen.

Damit eine bestmögliche Lernleistung erfolgen kann, sind allerdings zugleich zwei weitere Faktoren unerlässlich.

- Zum einen bedarf es neuer, spannender und gut vermittelter Lerninhalte.
- Zum anderen brauchen Kinder (und Erwachsene) genügend guten Schlaf.

 
Es kommt also auf die Kombination von Bewegung, Lerninhalten und Schlaf an. Dann stimmt es: Bewegung fördert das Lernen.

Zum Thema Schlaf folgt in den Neuro-News 3 mehr.

Quellen:
Chaddok-Heyman, L. et al. Aerobic fitness is associated with greater hippocampal cerebral blood flow in children. Dev Cogn Neurosc. 20, 52-58 (2016)

Donnelly, J. E. et al. Physical Activity Fitness, Cognitive Function and Academic Achievement in Children: A Systematic Review. Med Sci Sports Exerc48, 1197-1222 (2016)

Tata, M. et al. Vascularisation of the central nervous system. Mechanisms of development 1, 26 – 36 (2015)

Neuro-News 3
Die Bedeutung von Schlaf für eine gesunde Entwicklung unserer Kinder

Jedes Kind hat ein persönlich geprägtes Schlafbedürfnis und entwickelt im Laufe der Zeit durch Rituale und wiederkehrende Abläufe seine individuellen Schlafgewohnheiten. Ungeachtet dieser Gegebenheiten gilt für alle Kinder gleichermaßen, dass ausreichender Schlaf für ihr gesundes Aufwachsen unabdingbar ist.

Hier die vier wichtigsten Gründe:


1. Schlafen ist ein Grundbedürfnis

Schlafen zählt neben essen und trinken zu den drei Grundbedürfnissen des Menschen. Die Folgen von Schlafmangel sind vor allem für Kinder gravierend und reichen von Weinerlichkeit, sozialem Rückzug, Aggressivität und Essensverweigerung bis hin zu Wachstumsstörungen, vermehrten Infektionen und Lernschwächen.  

2. Kinder wachsen im Schlaf

Genauer gesagt, wachsen sie fast ausschließlich während ihrer Tiefschlafphasen. Der Grund: Während dieser Phasen werden Wachstumshormone (GHRH im Hypothalamus, Somatotropin in der Hypophyse, IGF-1 in der Leber) freigesetzt, die sowohl ihre inneren Organe, als auch jeden anderen Körperteil in fein abgestimmten Schritten wachsen lassen.

3. Kinder verfestigen ihr Wissen im Schlaf

Alles, was Kinder erleben und lernen, was ihnen bewusst und unbewusst begegnet, wiederholt sich mehrfach während sie mittags und nachts schlafen. Dieses Wiederholen führt zur Verfestigung der Inhalte.  Im Tiefschlaf sind hiervon eher die kognitiven Bereiche betroffen, im Traumschlaf sind es verstärkt Bewegungsabläufe.

Weil aber einmalige Erfahrungen auch nach ihrem nochmaligen Durchlaufen im Schlaf in der Regel nicht nachhaltig verknüpft und gespeichert werden, sind Rituale und Wiederholungen sehr wichtig. Erst durch das mehrmalige Wiederholen im Wach- und Schlafrhythmus kann sich also ihr Wissen und Können verfestigen.

4. Das Immunsystem der Kinder wird im Schlaf gestärkt

Das Immunsystem schützt die Kinder vor Erkrankungen und leistet dafür jeden Tag eine immense Arbeit. Wenn sich Kinder im Tiefschlaf befinden, wird ihr Immunsystem einerseits unterstützt, indem wichtige Botenstoffe gebildet werden, die es für seine Arbeit benötigt. Andererseits läuft es auf Hochtouren, wenn ein Infekt vorliegt.

Studien belegen, dass Menschen, die über längere Zeiträume an Schlafmangel leiden, ein mehr als doppeltes Infektions-Risiko haben (45 % gegenüber 20 % ohne Schlafmangel).

Insgesamt lässt sich festhalten: Kinder, die ihrem persönlichen Bedürfnis entsprechend (auch mittags!) schlafen, sind emotional ausgeglichener und fröhlicher. Daneben zeigen sie eine robustere Gesundheit sowie eine höhere Lernbereitschaft und Konzentrationsfähigkeit.

Buchtipps:
Albrecht Vorster: Warum wir schlafen (2019)
Matthew Walker: Das große Buch vom Schlaf (2018)

Neuro-News 4
Vernachlässigung führt zu kleinerem Hirnvolumen

Kinder, die über längere Phasen unzureichend ernährt werden, eine schlechte Hygiene, wenig soziale Kontakte und nur geringe kognitive Anreize erfahren, haben bis ins Erwachsenenalter hinein ein kleineres Gehirnvolumen als Erwachsene, die in ihren ersten Lebensjahren gut versorgt wurden. Das geringere Volumen betrifft insbesondere jene Hirnregionen, die für Motivation, Organisationsfähigkeit und das Einbinden neuer Inhalte ins Gedächtnis sowie das Abrufen der Gedächtnisinhalte, bedeutsam sind. Zugleich steigt das Risiko für ADHS.


Diese Ergebnisse sind umso alarmierender, als Kinder auf eine gute Funktion der genannten Hirnregionen angewiesen sind, um motiviert zu sein, sich konzentrieren, lernen und ihr Potenzial entfalten zu können.


Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Da das Gehirn plastisch (also formbar) ist, kann bei nachhaltigem Wegfall der schädlichen Einflüsse das kleinere Volumen durch andere Regionen kompensiert werden.


Diese Studienergebnisse präsentierte ein internationales Forschungsteam am 06.01.2020 in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), an der auch die Ruhr-Universität Bochum beteiligt war.

Quelle: Ruhr-Universität Bochum vom 07.01.2020